Adventisten bestätigen den Stellenwert der Zehn Gebote
ANN-Pressemeldung vom 18.4.2006
Da in der letzten Zeit ein verstärktes Interesse an die Rolle der Zehn Gebote für das
öffentliche Leben zu erkennen ist, verabschiedeten die Verantwortungsträger der Weltgemeinschaft
der Siebenten-Tags-Adventisten am 12. April 2006 eine Erklärung, um die wichtige
Bedeutung des Dekalogs in der Gesellschaft zu bekräftigen.
„Die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten begrüßt das Interesse an der Rolle der
Zehn Gebote im öffentlichen Leben. Die Zehn Gebote, wie sie auf dem Berg Sinai gegeben
wurden, sind ein Spiegelbild des Wesens Gottes. Sie enthalten universelle und unveränderliche,
moralische Grundsätze und beschreiben unsere Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen", so
der Wortlaut der Erklärung.
„Die Zehn Gebote dienen als moralischer Kompass in einer Zeit des Relativismus. Durch sie
überzeugt der Heilige Geist uns von Sünde und weckt in uns das Empfinden von totaler
Hilflosigkeit. Gottes Gesetz ist das Mittel, durch das der Geist uns zur Reue führt" – so ist es in der
Erklärung zu lesen.
In letzter Zeit kam es in den Vereinigten Staaten und anderswo zu Aktionen, die auf die
Gebote aufmerksam machen. Roy Moore, ein hochrangiger Richter vom obersten Gericht im Staat
Alabama wurde entlassen, weil er auf öffentlichem Grund und Boden einen Gedenkstein für die
Zehn Gebote aufstellte. Eine private Gruppe, die sich als die „Zehn Gebote-Kommission"
bezeichnet, versucht ebenfalls, das öffentliche Interesse an den Geboten zu wecken.
Viele Bibelgelehrte und Lehrer weisen auf zwei Kategorien im Dekalog hin. Die ersten vier
Gebote sprechen die Beziehung des Menschen zu Gott an und stellen damit Themen dar, die
menschliche Regierungen nicht gesetzlich regeln sollten. Die letzten sechs Gebote sprechen die
Beziehungen der Menschen in der Gesellschaft untereinander an und sind nach adventistischer
Auffassung geeignete Themen für legislatives Handeln.
Die Erklärung unterstützt zwar die „fundamentalen Grundsätze der Religionsfreiheit und die
Trennung von Kirche und Staat", aber sie weist darauf hin, dass Regierungen berechtigt sind,
Verhaltensweisen gesetzlich zu regeln, „indem sie in Übereinstimmung mit diesen Prinzipien
menschlichen Verhaltens bleiben … die in zivilen Gesellschaften üblich sind".
In der Erklärung heißt es: „Christen sind verpflichtet, sich an diese Gesetze zu halten, sofern
sie mit Gottes Geboten in Einklang sind, und aktiv die Bemühungen zu unterstützen, diese
Gesetze zu verbessern."
Adventisten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sorgfältig auf die Bedeutung der
biblischen Prophetie im Weltgeschehen achten, erkennen auch eine prophetische Komponente in
den Geboten: „Nach adventistischer Auffassung spielt Gottes Gesetz eine bedeutende Rolle im
Konflikt zwischen Christus und Satan. Wenn Satan sich kurz vor Jesu Wiederkunft zum letzten Mal
gegen Gott erhebt, wird der Gehorsam eines Gläubigen dem Gesetz Gottes gegenüber den besten
Beweis für seine Hingabe an Jesus erbringen", heißt es in der Erklärung.
Die Erklärung schließt mit einem Appell an die ganze Gesellschaft und einem Aufruf zur
Toleranz: „Die Zehn Gebote haben für Adventisten einen äußerst hohen Stellenwert. Darum rufen
sie Männer und Frauen in allen Gesellschaftskreisen auf, in Einklang mit den Grundsätzen der
Gebote zu leben und sie zur Grundlage für ein Leben im Dienst der Liebe an anderen Menschen
zu machen. Zugleich erkennen sie die Notwendigkeit, Toleranz walten zu lassen, christliche Demut
zu üben und die Rechte anderer zu respektieren; das geschieht dann, wenn diese Grundsätze zur
Anwendung gebracht werden."
(hm/edp)
ADVENTECHO 5/2006 – Der „Tag der Zehn Gebote" in den USA Seite 9 von 11
Amerika entdeckt das Gesetz Gottes
Die Zehn-Gebote-Kommission gewinnt rasant an Boden
KOMMENTAR von Dr. phil. Gerhard Padderatz
Eigentlich sollten uns neue Trends und Nachrichten aus den USA nicht mehr überraschen.
Und doch: Viele reiben sich jetzt verwundert die Augen angesichts einer neuen Entwicklung aus
dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein aus Israel stammender Jude hat das evangelikale
Amerika dazu gebracht, sich mit großer Begeisterung den Zehn Geboten zuzuwenden – oder
zumindest neun oder neun ein halb von ihnen.
Im Jahr 2005 gründete Ron Wexler in den Vereinigten Staaten die Zehn-Gebote-Kommission
(Ten Commandments Commission). Auf diese Weise will er mithelfen, Amerika zu seinen judeochristlichen
Wurzeln zurückzuführen und die wachsende Unmoral und Gesetzlosigkeit in der
Gesellschaft zu bekämpfen. Um die Aufmerksamkeit der christlichen Gemeinden auf sein
Vorhaben zu fokussieren und zu steigern, hat er einen so genannten „Tag der Zehn Gebote" oder
„Zehn-Gebote-Sonntag" ausgerufen. Dieser sollte zunächst am Sonntag, 5. Februar 2006,
stattfinden. Als das Interesse an dieser Bewegung und diesem Tag dann jedoch rapide zunahm
und kein Ende abzusehen war, verlegte die Kommission den Tag auf den 7. Mai 2006. Man wollte
den teilnehmenden Organisationen und Personen genügend Zeit zur Vorbereitung und optimalen
propagandistischen Nutzung geben.
Tatsächlich verbreitet sich die Bewegung seit wenigen Monaten wie ein Steppenbrand.
Hunderte von Kirchen, Synagogen, Organisationen und prominenten Persönlichkeiten haben sich
bereits hinter die Zehn-Gebote-Kommission gestellt. Dazu gehören auch das evangelikalkonservative
Family Research Council und der
Verband der National Religious Broadcasters
(NRB), ein internationaler Zusammenschluss christlicher Rundfunk- und Fernsehsender und
anderer christlicher Medien mit immerhin mehr als 1.400 Mitgliedsorganisationen. Zu den
Einzelpersonen, die die Bewegung mit ihrem Prominentenstatus unterstützen, gehören u. a.
James Dobson, Chuck Colson und Gary Bauer.
Um das öffentliche Interesse wieder auf die Zehn Gebote zu lenken, setzt sich die
Kommission überall für eine Zurschaustellung der Zehn Gebote, etwa in öffentlichen Gebäuden,
ein. Sie verkauft Anstecknadeln mit den Zehn Geboten (in hebräischer Sprache) sowie
Autoaufkleber, Plaketten und T-Shirts, die zum Halten der Gebote ermahnen. Außerdem verteilt
sie über das Internet und andere Kanäle vorformulierte Petitionen, die – unterschrieben und
verschickt – die Parlamentarier dazu bewegen sollen, „Gott" wieder in die Gesetze des Landes und
die Verfassung zurückzubringen. Bisher scheint die Kommission und der von ihr propagierte „Tag
der Zehn Gebote" vor allem in den USA, aber auch in Kanada und der Karibik Beachtung
gefunden zu haben – hier jedoch setzt er sich, wie so manche Modeerscheinung in Amerika,
schnell und wirksam durch. Hierbei helfen die in der politischen Agitation bereits gut eingespielten
Tausenden von baptistischen, pfingstlerischen und charismatischen Ortsgemeinden.
Viele Siebenten-Tags-Adventisten, die ja schon immer auf die Gültigkeit der Zehn Gebote
hingewiesen haben, wissen nicht so recht, ob sie sich angesichts dessen, was im ersten Moment
wie ein starker Rückenwind für ihre Verkündigung aussieht, freuen oder fürchten sollen. In der Tat
haben sie allen Grund zur Verwunderung und Sorge:
1. Predigen die Sonntag haltenden Christen und insbesondere die Evangelikalen nicht seit
über 100 Jahren, dass das Gesetz mit Christus und in Christus ans Kreuz genagelt wurde,
dass die Gebote also nicht mehr bindend seien? Was ist mit der Gnade? Gilt noch, dass
wir aus Glauben und nicht durch das Halten der Gebote gerecht werden? Findet hier eine
Veränderung der Rechtfertigungstheologie statt? Hoffentlich nicht!
Natürlich haben wir als Adventisten allen Grund zur Freude, wenn unsere Glaubensgeschwister
in anderen Kirchen endlich erkennen, dass die Gebote Gottes nach wie vor
bindend sind – zwar nicht
um gerettet zu werden, sondern
weil wir gerettet sind. Bei neun
der zehn Gebote waren wir uns ja eigentlich auch sonst schon einig. Niemand wäre auf die
ADVENTECHO 5/2006 – Der „Tag der Zehn Gebote" in den USA Seite 10 von 11
Idee gekommen zu behaupten, als erlöste Christen sei es uns nun erlaubt, andere Götter
anzubeten, den Namen Gottes zu missbrauchen und zu morden oder zu stehlen. Der
Wunde Punkt war ja eigentlich immer nur das vierte Gebot: der Sabbat. Es wäre zu
wünschen, dass dieser Sinneswandel, der in der erneuten Beachtung der Zehn Gebote
zum Ausdruck kommt, für viele den Weg zu einer größeren Treue gegenüber Gott und
vielleicht sogar in die Adventgemeinde bahnte.
2. Es fällt auf, dass dort, wo die Zehn-Gebote-Kommission und ihre Anhänger die Gebote
tatsächlich in ihrem vollen Wortlaut veröffentlichen, „Sabbat" tatsächlich „Sabbat" heißt und
nicht etwa durch Sonntag oder Feiertag ersetzt wurde. Darüber freuen wir uns. Leider
scheint jedoch kaum einer darüber zu stolpern – jedenfalls bisher nicht – dass „Sabbat" in
der Praxis und tatsächlichen Lesart automatisch und möglicherweise gedankenlos in
„Sonntag" übertragen wird. Es ist nicht vom siebten Tag, der auf den Samstag fällt, die
Rede. Bisher lässt sich auch nirgends eine Reformbewegung erkennen, die das ändern
will.
Kurioserweise wird der „Tag der Zehn Gebote" auf einen Sonntag gelegt, was ja eigentlich
die Missachtung des vierten Gebotes überdeutlich dokumentiert. Eine der evangelikalen
Websites weist sogar darauf hin, dass alle Kirchen, Synagogen und Gläubigen, die den
Samstag als Gottesdiensttag feiern, den „Tag der Zehn Gebote" um einen Tag vorverlegen
könnten (
www.theopenpress.com).
Dennoch sollten wir optimistisch sein: Vielleicht wird der eine oder andere jetzt doch mal
genauer hinsehen und sich fragen, warum die Christenheit generell eigentlich den ersten
Tag der Woche, also den Sonntag, feiert, und nicht den siebten Tag, also den Sabbat, wie
es ja in den Zehn Geboten von Gott gefordert wird.
3. Was allerdings wirklich Grund zur Sorge gibt, ist die Tatsache, dass die Zehn-Gebote-
Kommission auf eine politische, in den Gesetzen verankerte und damit gewaltsame
Beachtung der Zehn Gebote drängt. Es ist nicht davon die Rede, dass Gott die Gebote in
unsere Herzen schreiben will und dass der einzelne sich – zumindest was die ersten vier
Gebote, also die Beziehung zu Gott angeht – freiwillig und aufgrund einer persönlichen
Bekehrung zum Halten der Gebote entscheiden sollte.
Amerika ist es nicht gewohnt, seine Ideale – so gut sie auch sein mögen – ohne Macht und
Gewalt zu verwirklichen. Nimmt man jetzt noch das Sendungsbewusstsein der amerikanischen
Evangelikalen hinzu, die zutiefst davon überzeugt sind, den Willen Gottes genau
zu kennen und daher im Namen und Auftrag Gottes zu handeln, ergibt sich für jeden
Andersgesinnten ein bedrohliches Szenario. Hinzu kommt: Zum ersten Mal in der
Geschichte der Vereinigten Staaten liegt die politische Macht des Landes in den Händen
von evangelikal-fundamentalistischen Eiferern und ihren Gesinnungsgenossen, und zwar in
Kongress, Senat, oberstem Gericht und Weißem Haus.
Sollten die Zehn-Gebote-Kommission und ihre Anhänger nicht zu der Erkenntnis kommen,
dass „Sabbat" wirklich „Sabbat" heißt und sollte es ihnen gelingen, die Zehn Gebote nach
ihrer Lesart – sprich: inklusive eines von allen zu haltenden Sonntags – in der Verfassung
und/oder in den Gesetzen des Landes zu verankern, brechen harte Zeiten für jene an, die
in Treue zu Gott und in einem buchstäblichen und historischen Verständnis des vierten
Gebotes das Gesetz Gottes höher stellen als das ihres evangelikal geprägten Landes, das
die Tradition und ein durch das Papsttum verändertes Feiertagsgebot eben über den Willen
Gottes stellt.
Sollte es so kommen, dürften wir eigentlich nicht überrascht sein. Ellen G. White wies darauf
hin, dass die Zehn Gebote am Ende der Zeit in besonderer Weise Beachtung finden werden.
Außerdem schrieb sie schon am 18. Dezember 1888 im
Review and Herald: „Es kommt die Zeit,
wenn das Gesetz Gottes in unserem Lande [den USA] im besonderen Sinne null und nichtig
gemacht wird. Die Regierenden unseres Landes werden das Sonntagsgesetz durch Gesetzesverfügung
erzwingen, und so wird Gottes Volk in große Gefahr gebracht. Wenn unser Volk in
seinen gesetzgebenden Versammlungen Gesetze erlässt, um das Gewissen der Menschen in
ADVENTECHO 5/2006 – Der „Tag der Zehn Gebote" in den USA Seite 11 von 11
Bezug auf ihre religiösen Pflichten zu binden, damit das Halten des Sonntags erzwungen wird und
die Sabbathalter einer unterdrückenden Macht ausgesetzt werden, wird das Gesetz Gottes in
unserem Lande mit voller Absicht null und nichtig gemacht …"
Erfüllt sich Prophetie vor unseren Augen? Stehen wir kurz vor der großen Prüfung? Im
Großen
Kampf schreibt Ellen G. White (S. 606): „Der Sabbat wird der große Prüfstein der Treue sein; denn
er ist der besonders bekämpfte Punkt der Wahrheit. Wenn sich die Menschen der letzten
endgültigen Prüfung unterziehen, dann wird die Grenzlinie gezogen werden zwischen denen, die
Gott dienen, und denen, die ihm nicht dienen. Während die Feier des falschen Sabbats in
Übereinstimmung mit den Landesgesetzen, jedoch im Widerspruch zum vierten Gebot, ein offenes
Treuebekenntnis gegenüber einer Macht ist, die Gott feindlich gegenübersteht, wird das Halten
des wahren Sabbats im Gehorsam gegen Gottes Gesetz ein Beweis der Treue gegen den
Schöpfer sein. Während eine Klasse durch die Annahme des Zeichens der Unterwerfung unter
irdische Mächte das Malzeichen des Tieres empfängt, nimmt die andere das Siegel Gottes an,
indem sie das Zeichen der Treue gegen die göttliche Autorität erwählt."
Das Tragische an dieser potentiell gefährlichen Entwicklung in Amerika ist, dass nicht gottlose
Kräfte versuchen würden, eine kleine Gruppe von Christen zur Gottlosigkeit zu zwingen. Vielmehr
würden bekennende Christen in bester Absicht den Willen Gottes in ihrem Land durchsetzen
wollen. Sie sind so dicht daran, etwas Gutes zu tun – und doch könnte sich gerade dadurch ein
gefährliches Verfolgungsszenario für jene ergeben, die zumindest in einem Punkt eine von der
Mehrheit abweichende Erkenntnis und Überzeugung haben.
Kann es sein, dass wir der Wiederkunft Christi noch viel näher sind, als viele von uns
glauben?
Dr. phil. Gerhard Padderatz hat Theologie, Geschichte und Kommunikationswissenschaften
studiert und ist Geschäftsführer einer Managementberatung mit Büros in Frankfurt, Zürich und
Detroit, wo er jetzt lebt. Bis 1985 war er als Pastor, Dozent für Geschichte und Sozialwissenschaften,
Redakteur und Verlagsberater tätig. Er ist Autor des Buches „Allmächtig? Ohnmächtig?
Gerecht?", das 2005 im Advent-Verlag Lüneburg erschienen ist (www.advent-verlag.de).